Jochen Schmiddem ist der Freigeist unter den Designern der Badbranche. Wir trafen ihn in Berlin und fragten Ihn, was nackte Promis, Surfen und Märchenerzählen mit seiner Leidenschaft für Gestaltung zu tun haben.
Jochen Schmiddem
Jahrgang 1961, lebt und arbeitet seit 1997 in seinem gleichnamigen DesignStudio Schmiddem in Berlin. Der gelernte Möbeltischler studierte zunächst Bildhauerei und Malerei, bevor er ins Produktdesign wechselte und erste Erfahrungen in internationalen Designbüros sammelte. Seit 2010 arbeitet er mit Steinberg zusammen und kreierte die preisgekrönten Serien 200 und 210.
Morgens halb zehn in Deutschland. Genauer gesagt in Deutschlands Hauptstadt. Ich laufe durch die Straßen Berlins und suche die Hausnummer, die zu Schmiddems Schmiede zahlreicher prämierter Designobjekte führt. Als ich endlich eintreffe, stelle ich überrascht fest, dass es sich nicht wie vermutet um ein riesiges Gebäude, sondern um ein kleines, schnuckeliges Altbauatelier im Erdgeschoss, vor dem ein Sandkasten und ein Surfbrett stehen, handelt. Und kaum angekommen, ruft es durch die große Glasscheibe auch schon: „Wollen Sie ’nen Kaffee?“. Und das war nicht die einzige Frage, die an diesem Tag gestellt wurde.
Herr Schmiddem, erfahren Sie eigentlich vorher, wenn sich Stars wie Samantha in „Sex and the City“ oder Tom Cruise in „Minority Report“ in Ihren Produkten nackig machen?
Nein, meist erfährt man so etwas erst hinterher. Es ist leider sehr schwierig, an solche Informationen zu gelangen.
Aber es gefällt Ihnen?
Natürlich, das ist ein riesiges Kompliment an das Produkt. Vor allem, wenn man die „Cocoon“-Dusche in „Minority Report“ betrachtet. Steven Spielberg hat in einem Film Regie geführt, der im Jahre 2054 spielt. Und er kauft dafür die von uns kreierte, real konstruierte Dusche. Das ist ja schon fast die größte Auszeichnung, die ein Produkt überhaupt bekommen kann.
Und wie wird Ihrer Meinung nach ein real existierendes Bad im Jahr 2050 aussehen?
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Ich persönlich stelle mir das für 2050 vor wie in einer modernen Form von 1930. Es wird die totale Reduktion auf das Wesentliche geben. Den Einzug von Technologie ins Badezimmer halte ich für totalen Schwachsinn.
Ja, Ruhe haben wollen und dann Fernsehen. Das passt nicht ganz zusammen.
Stimmt, mir genügt da völlig das Prasseln der Flammen im Kamin. Einen Fernseher oder so etwas kann ich nicht ertragen. Man kann doch nicht in der Wanne entspannen, während man mit nassen Fingern auf dem Touchscreen rumhampelt, um dann im Badezimmer mit den Problemen der Welt konfrontiert zu werden. Für mich sieht das Bad der Zukunft so aus: Es gibt einen Kübel mit Wasser und ein Lagerfeuer. Und mit diesem Design laufen wir dann so gegen den Trend, dass wir eigentlich das Bad der Zukunft machen, obwohl die anderen meinen, mit ihrer Technologie würden sie das Bad der Zukunft formen.
Wird Ihr Bad der Zukunft dem Trend des Wohnbades folgen? Oder bleiben Sie mit Produkten für kleinere Badezimmer Ihrer Linie treu?
Die größere Herausforderung ist sicherlich, auf kleinstem Raum den größten Badespaß gewährleisten zu können. Das mag ich mehr, als diese Großentwürfe. Dass das Bad wohnlicher wird, ist sowieso eine Aussage, die ich nicht mehr hören kann. Natürlich wird das Bad wohnlicher. Man muss aber schon bei der Realität bleiben. Und real ist, dass 80 Prozent der Bäder nicht größer als sechs oder sieben Quadratmeter sind.
Und wie schafft man es, in solche Alltagsprodukte ein Wellnessgefühl einzubinden?
Ganz einfach: Man entwickelt eine Geschichte. Dabei muss ein Produkt spektakulär unspektakulär sein. Es muss positiv laut sein, in dem es auf sich aufmerksam macht, aber es muss gleichzeitig eine unglaubliche Ruhe und Ausgewogenheit ausstrahlen. Ähnlich wie Wasser, das die Gabe besitzt, alles Negative wegschwemmen zu lassen. Es ist immer in Bewegung, es gibt keinen Stillstand. Es kann drei bis fünf Meter hohe Wellen schlagen, mit einer brachialen Gewalt dahinter und dennoch setzen sich die Menschen, die es lieben davor, kommen absolut runter und gleiten in eine Ruhe hinein.
Oder Sie gleiten auf dem Wasser. Wofür steht Denn das Surfbrett vor Ihrer Tür?
Dahinter verbirgt sich ein simples Gleichnis: Man kann überall auf der Welt exzellente Surfbretter kaufen. Wenn man aber das allerbeste haben will, dann muss man nach Maui fliegen und zu dem Shaper gehen, der heute – obwohl er der beste ist – immer noch in seiner kleinen Garage steht. Nach einem Gespräch überlegt er sich dann, ob er Zeit hat, ein Brett für Sie zu machen. In Prinzip könnte er ein riesiges Unternehmen haben, der Qualität wegen will er es aber lieber in einem kleinen Team machen. So bleiben das Können und die Qualität innerhalb der Familie – wie auch bei mir und meinen vier Angestellten. Im Grunde sind wir eine Familie, eine Spaßfactory mit ernstem Hintergrund in Bezug auf Design.
Ist es das, was Sie meinen, wenn Sie von Emotionen in Ihren Produkten sprechen. Packen Sie da Spaß rein?
Absolut. Spaß steht immer im Vordergrund. Viele große Firmen sagen immer: Design ist harte Arbeit. Das ist ein totaler Widerspruch. Ich entgegne dann: Man kann Emotion nicht erarbeiten. Man kann sie nicht bei einer Frau, nicht beim Geburtstag oder irgendetwas anderem erarbeiten. Somit auch nicht beim Produktdesign. Und wenn einer aus unserem Team mal sagt, es passt gerade nicht mit dem Ideenfluss, dann geht er eben nach Hause. Wir arbeiten immer aus der tiefsten Seele heraus.
Und wie verträgt sich eine solche Arbeitsweise mit wirtschaftlich orientierten Unternehmen?
Na ja, die 300 bis 400 Produkte im Jahr aus unserer Schmiede beweisen wohl, dass das Konzept aufgeht. Die wichtigste Basis für eine gute Zusammenarbeit ist aber in erster Linie ein freundschaftliches Verhältnis mit der Firma und nicht der Wunsch, schnell ein Produkt herzustellen. Mit der Firma Steinberg wird beispielsweise ehrlich und langfristig über die Produkte diskutiert, wobei durchaus das Risiko besteht, dass manche Entwürfe nicht gefallen. Und das wird dann auch direkt gesagt. Deshalb hat die Zusammenarbeit bei der Serie 240 sogar über zwei Jahre gedauert.
Bis zu 400 Produkte im Jahr? Wie schafft man denn mit so wenigen Leuten ein solches Pensum?
Das ist zum einen Teamarbeit und zum anderen eine Gabe. Die Konzepte gehen ganz schnell. In meinem Kopf befindet sich ein unglaublicher Fundus an Ideen. Ich muss nur die Schubladen öffnen. Ich drehe die Produkte in meinem Kopf virtuell vor mir und baue sie in meinem Kopf zusammen. Die Hand ist hinterher nur noch dafür da, die Ideen aus meinem Kopf hervorzubrechen.
Und woher kommen die Ideen? Laufen Sie durch die Gegend und die Einfälle sprudeln?
Ja, das sag ich zu meinen Leuten vor einem Projekt auch immer: Lauft los. Geht in die Straßen und schaut. Versucht in anderen Produkten Sachen zu entdecken, die uns weiterbringen. So kann man zum Beispiel in einem Auto Details entdecken, die einen bei der Entwicklung einer Waschmaschine weiterbringen. Es gibt so viel Schönes zu sehen, das man dann in den Produkten umsetzen kann.
Bevorzugen Sie bei der Umsetzung ein bestimmtes Material? Man sieht bei Ihnen sehr viel Holz …
Das hängt ebenfalls mit Emotionen zusammen. Das Schönste, was einem widerfahren kann, ist ein Sandstrand und ein Holzsteg im Wasser. Ebenso müssen Produkte funktionieren. Dazu passt auch unser Spruch: Wir können den Leuten den Urlaub nicht verlängern, aber wir können das Urlaubsgefühl 365 Tage im Jahr ins Bad bringen. Wir möchten, dass der Kunde bei diesem Produkt einen Strand mit Treibholz vor sich sieht.
Womit wir wieder beim Geschichtenerzählen wären…
Stimmt, man muss immer ein Märchenerzähler im positiven Sinne sein. Man muss die Leute mit auf eine Reise nehmen. Die Menschen müssen gebannt an den Lippen hängen und müssen die Geschichte erfahren wollen. Und man muss mit seiner Welt zufrieden sein, manchmal auch ohne große Unternehmen, weil die Philosophie nicht stimmt. Deshalb ist meine Welt auch das Hand-shaped-Surfbrett vor meiner Tür. Mit Spaß, Lebensfreude und einem Familiengefühl. Ein Unternehmen, bei dem der Sohn schon mal gerne im Sandkasten vor der Tür sitzt. Das Wichtigste dabei ist Authentizität: Denn jedes Produkt ist wie ein Baby, dass man in die Welt entlässt mit einer Geschichte. Und der Kunde darf sich dann für die Geschichte entscheiden – wenn er sie denn versteht.
Autor: Anna Bader